Wenn wir Fotos von Landschaften sehen, die nicht der gleichen, die wir mit eigenen Augen gesehen haben, wenn wir Bilder von Menschen vor uns liegen haben, die Kleidung tragen, die wir nie zuvor angezogen haben, wenn wir Sprachen hören, deren Klänge wir nur mit Mühe imitieren können, dann landen wir schnell bei dem Gedanken „einer anderen Welt“. Zumindest wird mir das oft gesagt, wenn ich von meinen Reisen erzähle, von den Bekanntschaften, von dem Guten und dem Schlechten: „Was für eine andere Welt!“

So ganz verstanden habe ich das nie.

Was wäre eine andere Welt denn tatsächlich? Ein Universum, das unabhängig von all dem existieren würde, das uns umgibt. Unabhängig von unserem Sonnensystem und all dem, was wir als Realität abspeichern. Eine andere Welt ist das Marvel-Universum, ist Mittelerde, ist das, was Autor:innen und Filmemacher:innen und Kreative aller Art seit jeher erschaffen.

Fast ist nachvollziehbar, wieso wir gerne auch in unserer Welt eine „andere Welt“ finden wollen. Schließlich besteht auch unser persönliches kleines Universum, das wir kognitiv auffassen können, aus nicht mehr als dem, was wir kennen. Und solange die Welt, die wir uns als unsere definieren, nun mal Landschaften aus Rapsfeldern, Kühen und Autobahnen besteht, solange Menschen in unserer gedachten Welt Jeans und T-Shirts tragen, solange sie Deutsch oder Englisch oder von mir aus auch Niederländisch sprechen, solange wird alles, was darüber hinausgeht, uns vorkommen wie eine „andere Welt“.

Problem: Diese Welt als eine andere abzustempeln, distanziert. Wo bleibt unsere eigene Verantwortung für das, was in einer anderen Welt passiert? Wie könnten wir uns je mit Menschen einer „anderen Welt“ verbunden fühlen? Trauen wir uns selbst wirklich die Fähigkeit zu, von einer Welt in eine andere zu reisen? Eine andere Welt wird nie unserer Welt angehören, also wieso sollten wir mehr tun als sie aus sicherer Entfernung zu beobachten, so, wie wir, getrennt durch einen Bildschirm, Spiderman durch das Marvel-Manhatten springen sehen?

Meistens geht es gar nicht darum, sich vom Schlechten abzuschirmen. Stattdessen scheinen wir mit Ehrfurcht und Begeisterung in der Stimme von der „anderen Welt“ zu erzählen. Aber auch dadurch exotisieren wir, entfremden wir. Denn in der Welt, in der wir leben, gibt es nunmal mehr als Autobahnen, mehr als H&M, mehr als germanische Sprachen.

Das Gute ist: die Welt, die wir als solche betrachten, können wir uns selbst definieren. Und wenn wir uns weigern, zwischen „dieser Welt“ und der „anderen Welt“ zu differenzieren, wenn wir das anfangs Unbekannte kennenlernen, wenn wir sehen und schmecken und fühlen und uns informieren, wenn wir teilen und zuhören, dann werden wir früher oder später automatisch merken, wie viel größer diese Welt tatsächlich ist. Aber dass sie eben genau das ist: „diese Welt“.